Wohlstand verpflichtet zur ständigen Dankbarkeit

Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022

Überall feiern wir gegenwärtig das Erntedankfest. Früchte aus Garten und Feld schmücken die Kirchen und erinnern uns daran, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir genug zum Essen und für unseren täglichen Lebensbedarf haben: „Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft …“ (5. Mose 8,12-14) – Diese Worte sind über 2600 Jahre alt und schärfen ein demütiges Bewusstsein als Grundhaltung gegenüber Gott ein: Die Führung durch die Wüste, die bald durch Mangel die eigene Hilflosigkeit deutlich macht. An dieser Haltung soll das Volk auch festhalten, wenn es im Überfluss lebt. Die Trennung von anderen Göttern muss dabei radikal und vollständig sein. Die Anhänglichkeit an Silber und Gold öffnet die Tür für Verführungen. Martin Luther sagt: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“
 
Im Überfluss liegt nach alttestamentlicher Auffassung die Gefahr, sich zu überheben und Gott zu vergessen. Vor solchem Übermut gilt es, sich zu schützen. Wie soll das geschehen? Das Volk soll sich stets daran erinnern, wie es einst in Ägypten in der Knechtschaft wohnte und dann in der Wüste größten Entbehrungen ausgesetzt war, damit es nicht satt und selbstzufrieden vergisst, wem es seinen Wohlstand verdankt. Und auch die eigenen Kräfte, mit denen es diesen Wohlstand vermehrt, sind ein Geschenk Gottes. Ebenso resultiert der Besitz des Landes allein aus der Macht Gottes und nicht aus der Stärke eines Volkes heraus. Daran sollen wir auch in Zeiten, in denen es uns vom Wohlstand her gesehen gut geht, denken.
 
Das beginnt bereits damit, dass wir auch auf unsere Mitmenschen achten, denen es finanziell und sozial schlechter ergeht als uns selbst. Nach ihnen sollen wir sehen und uns um sie kümmern. Sie sollen uns nicht gleichgültig werden. Der diakonische Auftrag der gelebten Nächstenliebe darf nicht enden. Denn im Nächsten begegnet uns Gott selbst: “…Was ihr für einen meiner geringsten Brüder [und Schwestern] getan habt, das habt ihr mir getan …“ (Mt 25,40) – In der Welt sind wir auf einander angewiesen.
 
Holger Ossowski
Pfarrer der ev.-luth. Kirchengemeinde Garrel und Kreisdiakoniepfarrer