Hochmut kommt vor dem Fall!

„Merk Dir! Hochmut kommt vor dem Fall!“

„Du musst Dir das nicht gefallen lassen. Wehr Dich doch!“ So sagt es die Mutter zu ihrem Kind. „Aber wie soll ich das machen?“, so fragt das Kind die Mutter zurück, „Sie sind mehr und ich alleine.“ Die Mutter schweigt, dann aber äußert sie: „Sie halten sich halt für etwas Besseres. Sie sind hochmütig.“ Sie gibt ihrem Kind einen dicken Kuss auf die Stirn und sieht die Traurigkeit in dessen Augen. Dann ergänzt sie: „Merk Dir! Hochmut kommt vor dem Fall!“

Liebe Leserin und Leser, mag ja sein, dass Hochmut vor dem Fall kommt, aber was hilft das, wenn es nicht aufhört? Guter Rat ist teuer, wenn ich in der Defensive, wenn ich schwächer bin. Was soll ich dann tun?

Es gibt dazu eine kleine, meist übersehende Anweisung, die Jesus gibt und die uns etwas dazu sagen könnte: Zu seiner Zeit war es nämlich so, dass römische Soldaten Leute aus der Bevölkerung einfach von der Straße nehmen und dazu nötigen konnten, ihr schweres Gepäck für eine gewisse Strecke zu tragen. Sich zu wehren war angesichts der Bewaffnung der Soldaten praktisch aussichtslos. Deswegen meint auch Jesus, dass ein Widerstand, der gefährdet, hier nichts nütze. Aber er sagt etwas anderes dazu: „Und wenn dich jemand eine Meile nötigt, so geh mit ihm zwei!“ (Matthäus 5, 41).

Wieso soll ich zwei mitgehen, wenn ich schon zu einer gezwungen werde? Es gibt zwei gute Gründe dafür: Erstens zeige ich allen, dass der Legionär etwas tut, was er nicht soll. Denn indem ich die Strecke extra von mir aus verlängere, mache ich es sichtbar für alle anderen: „Schaut mal alle her! Ich muss das hier machen, was ich gar nicht will.“ Das heißt im Klartext, dass überhaupt erst dann, wenn ich das Unrecht öffentlich mache, Druck auf jene, die unrechtes tun, entstehen kann. Ansonsten bleibt es versteckt vor den Augen der Öffentlichkeit. Auf Unrecht muss man aber aufmerksam machen, damit sich etwas ändert. Hier passiert es durch das Mehrlaufen der weiteren Meile. Ich setze hierbei praktisch noch einen drauf, damit es alle mitkriegen.

Zweitens wird der Legionär mich gar nicht mehr los, wann er es will. Ich gehe einfach weiter mit, hänge wie eine Klette an ihm. Und wenn ich ihn zu nerven beginne und er meint, ich bräuchte die zweite Meile nicht mehr mitzulaufen, erwidere ich gerade dadurch, dass ich sie mitlaufe, dass ich sowieso schon die erste nicht mitlaufen wollte. Denn das Ganze ist falsch, es ist hochmütig, jemanden gegen den eigenen Willen zu etwas zu zwingen. Das heißt, ich appelliere jetzt an sein Gewissen, das sich noch gar nicht geregt hat. Das mache ich dadurch, dass ich das Ganze überreize: Ich führe ihn praktisch vor.

Vielleicht sind uns solche kleinen Widerstandshaltungen, die Jesus hier rät, zu wenig. Und womöglich finden wir heutzutage andere, wenn uns ähnliches passiert wie dem Menschen damals an der Straße oder dem Kind in seinem Umfeld. Allerdings sind zwei Sachen Jesus wichtig, damit sich überhaupt etwas ändern kann: Zum einen Öffentlichkeit erregen! Alle sehen, dass es falsch ist, jemanden zu nötigen, und es sollen auch alle sehen, dass es falsch ist. Zum anderen mit dem Unrecht konfrontieren! Dadurch wird entlarvt, dass Hochmut im Spiel ist, wenn wir uns über jemanden zu erheben erlauben. Das ist ein „No Go“! Wer ein Gewissen hat, wird es spüren können: Hochmut kommt vor dem Fall!  

Gesegneten Sonntag, Ihr
Pfarrer Dr. Oliver Dürr

Pfarrer Dr. Dürr ist Pastor der ev. – luth. Kirchengemeinden Lindern und Molbergen.