Wegwerfen…oder behalten in der Wartezeit?

Liebe Leserinnen und Leser,

die Adventszeit ist eine besinnliche Zeit und eine Wartezeit auf Weihnachten. Da werden Kisten vom Dachboden geschleppt und aus dem Keller geholt: Deko-Material aus vergangenen Jahren. Manches ist in die Jahre gekommen und hat seinen Zweck längst erfüllt. Die Einen mögen sich hier überlegen: „Vielleicht brauche ich es noch einmal?“ Und die Anderen denken rigoroser: „Wegwerfen!“ Letztere mögen da übervolle Zimmer, Kellerräume und Dachböden vor Augen haben. Wegwerfen kann manchmal ganz schön befreiend sein!
Wertvolles aufbewahren und Wertloses wegwerfen: Etwas Persönliches, das mir wichtig und wertvoll geworden ist, bewahre ich auf. Anderes, zu dem ich keinen Bezug mehr habe, gebe ich weiter und trenne mich davon. Manchmal treten im eigenen Leben auch ganz existentielle Fragen auf Was bringt mir das oder lohnt sich das noch?
Die einstige christliche Gemeinde beispielsweise, die sich diese Frage nach dem Wegwerfen oder dem Behalten einst stellte, hatte damals mit Symptomen großer Ermüdung zu kämpfen. Sie hatte viel erleiden müssen. Einige Mitglieder unter ihnen besuchten deshalb nicht mehr die Gottesdienste und Versammlungen. Vielleicht, so sagten sie sich, ist ein Leben ohne den christlichen Glauben leichter. Nicht wenige von ihnen sind kurz davor, ihr Vertrauen ganz wegzuwerfen.
„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat“, heißt es dazu im Hebräerbrief (Hebr 10,35) Das altgriechische Wort paraesia an dieser Stelle bedeutet in seiner Übersetzung dabei nicht nur Vertrauen, sondern auch Mut, Zuversicht und Offenheit. Vor Gott bleibt nichts verborgen.
Der Glaube und das Vertrauen gehören zusammen: „Werft euren Glauben nicht weg.“ Ein Leben darin hat immer mindestens zwei Seiten: die schönen und die schweren, das Sich-bei-Gott-geborgen-fühlen einerseits und den „Alltagsglauben“ andererseits, in dem uns das Beten manchmal schwer fällt. Dieser Alltagsglaube ist dennoch wichtig, auch wenn er uns selbst oft als schwach vorkommt: „Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen …“ (2 Kor 4,7)
Nicht wegwerfen, sondern geduldig bewahren. Dazu ermuntert uns der Hebräerbrief. Und wenn wir spüren, dass wir ermatten in unserem Vertrauen, lohnt es sich, sich neu auf die Suche zu machen. Denn Vertrauen ist etwas, was uns geschenkt wird. Es schenkt uns Offenheit gegenüber Menschen und Gott. Es lohnt sich: „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme.“ (Offb 3,7-13)
Ihnen und Ihren Familien wünsche ich einen gesegneten 2. Advent!

 

Holger Ossowski,
Pfarrer der Ev.-luth. KirchengemeindecGarrel
und Kreisdiakoniepfarrer