Zuletzt aktualisiert am 1. August 2024
Schreib doch mal vom Sommer, sagte mein Mann. Jetzt ist er doch da! Ja, wahrhaftig. Die Sonne scheint, es ist richtig schön warm und das deprimierende Regenwetter hat aufgehört. Das macht die Seele froh und das Herz jubelt und singt „Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit an deines Gottes Gaben. Schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir, sich ausgeschmücket haben.“
Die Üppigkeit und Farbenpracht der Natur überwältigt. „Die Bäume stehen voller Laub“, überall grünt und blüht es. Wenn ich mich draußen umschaue, sei es im Garten, auf dem Balkon oder bei einem Spaziergang, staune ich über die bunten Farben des Sommers. Allein schon die vielen verschiedenen Grüntöne! Jedes Grün ist anders, Wiesen und Halme, Sträucher, Büsche und Bäume, Stängel und Blätter. Und dann erst die Blütenpracht mit Gelb, Orange und Rot, mit Hellblau über Tiefblau bis Mauve, mit Rosa über Pink bis Lila. Sogar das Weiß unterscheidet sich von Blüte zu Blüte.
Dazu die Sommervögel. Im Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud!“ werden sie besungen: „Die Glucke führt ihr Völklein aus, der Storch baut und bewohnt sein Haus, das Schwälblein speist die Jungen, der schnelle Hirsch, das leichte Reh ist froh und kommt aus seiner Höh ins tiefe Gras gesprungen.“
Jeden Tag, besonders an schönen Sommerabenden, sehe ich sie in der Luft: die Schwalben. Kunstvoll kreisen sie dort oben, oft sehr weit hoch, fliegen dann plötzlich im Sturzflug um die Ecke.
„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“ Diese Redensart geht mir durch den Kopf. Am Haus, unterm Dachüberstand, nisten auch diesen Sommer Schwalben. Und ich freue mich, dass ich mehr als eine Schwalbe am Abendhimmel sehe. Sehe sie jagen und fliegen. Bis zu 2000 Insekten fangen sie pro Tag, für sich selbst und für ihre ihre Jungen im Nest. Und nur selten verirrt sich dank ihnen eine Mücke im Haus.
„Die Schwalbe hat ein Nest bei Gottes Altären“, so betet der 84. Psalm. „Wie liebenswert sind deine Wohnungen, Gott, du herrschst über die Gewalten. Immer schon hat meine Kehle sich gesehnt, ja verzehrt nach den Höfen Gottes. Mein Herz und mein Körper schreien voll Sehnsucht der lebendigen Gottheit entgegen. Auch der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest, in das sie ihre Jungen legt, bei deinen Altären. Gott, du herrschst über die Gewalten, meine Gottheit, königlich.“
Die Schwalbe nistet an Gottes Altären. Ein schönes Bild. Nah bei Gott. Da möchte ich wohl auch gern wohnen! Die meiste Zeit in meinem Leben habe ich nahe einer Kirche gewohnt. Der Klang der Kirchenglocken ist mir wohl vertraut. Hilft mir durch meinen Tag und meine Woche. Nah am Altar Gottes zu wohnen gibt mir und meinem Leben einen schönen Rahmen. Besonders, wenn es mir nicht gut geht, tröstet die Nähe mich.
Ob Sie auch gerne nah an Gottes Altären wohnen? Was ist das eigentlich? Um Kirchenglocken geht es sicher nicht. Von denen ist keine Rede im 84. Psalm. Es geht um den Altar. Um den Ort, an dem ich Gottes Gegenwart spüre. Wo ich bete. Und singe. Das Abendmahl teile – an Gottes Tisch. Am Altar. Da werde ich versorgt mit Gottesnähe, mit Nahrung für die Seele. Manchmal stelle ich mir vor, ich könnte fliegen wie die Schwalben. Leicht und ohne Last könnte ich den Lasten des Alltags entfliehen. Mich frei fühlen. Wie die Schwalben! Ja, und was ist Ihre Sehnsucht? Wo ist Ihr Altar, der Sie in die Gottesnähe bringt?
Gottesnähe. Da bin ich bei dem kleinen Kind. Das wollte unbedingt Gott treffen. Es dachte: der Weg zu dem Ort, an dem Gott lebt, ist ein weiter Weg. So packte es einige Coladosen und Schokoriegel in seinen Rucksack und ging los. In einem Park sah es eine alte Frau. Die saß auf einer Bank und sah den Tauben zu. Das kleine Kind setzte sich zu der Frau auf die Bank. Öffnete seinen Rucksack. Wollte sich gerade eine Cola herausnehmen … Da sah es den hungrigen Blick der alten Frau.
Also nahm es einen Schokoriegel und reichte ihn der Frau. Dankbar lächelte sie ihn an – ein wundervolles Lächeln! Um dieses Lächeln noch einmal zu sehen, bot ihr das Kind auch eine Cola an. Sie nahm sie und lächelte wieder, noch strahlender als zuvor. Der kleine Junge war selig.
So saßen die beiden den ganzen Nachmittag im Park, aßen Schokoriegel und tranken Cola, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Als es dunkel wurde, wollte das Kind nach Hause gehen.. Nach einigen Schritte hielt es inne. Drehte sich um. Ging zurück zu der Frau und umarmte sie. Die alte Frau schenkte ihm dafür ihr allerschönstes Lächeln.
Zu Hause sah seine Mutter die Freude auf seinem Gesicht und fragte: “Was hast du denn heute Schönes gemacht, dass du so fröhlich aussiehst?” Und das kleine Kind sagte: “Ich habe mit Gott Mittag gegessen. Und sie hat ein wundervolles Lächeln!”
Auch die alte Frau war nach Hause gegangen, wo ihr Sohn schon auf sie wartete. Auch er fragte sie, warum sie so fröhlich aussah. Und sie antwortete: “Ich habe mit Gott zu Mittag gegessen – und er ist viel jünger, als ich immer dachte.”
Pfarrerin i.R. Hiltrud Warntjen