Zuletzt aktualisiert am 15. August 2024
Wenn ich etwas im Netz suche, heißt die erste Anzeige „Günstiger geht es immer – Große Auswahl. Super Angebote hier im Preisvergleich“.
Vermutlich sehen Millionen diese Botschaft täglich: Günstiger geht immer. Die Demagogen sind überzeugt, Botschaften, die oft genug wiederholt werden, gelten am Ende als wahr.
Allerdings werden in den kommenden Tagen in unserer Region Hunderttausende einer anderen Wahrheit folgen. Sie feiern und trinken auf der Westerheide in Vechta. Klar geht Biertrinken auch günstiger. Viel günstiger sogar. Nur ist der Getränkemarkt eben nicht der Stoppelmarkt. Günstiger ist nicht immer besser. Und das Besondere gibt es manchmal nirgendwo sonst. Günstiger geht dann nicht. Aber ich bekomme genau das, was ich will. Und das ist mir etwas wert.
Neulich hieß meine Suchanfrage „Bei Gott bin ich geborgen“. Ich brauchte den Text von diesem Lied. Die bekannte erste Zeile leuchtet auf, und ich mache ein Bildschirmfoto, das ich vergnügt der Familie zeige.
Geborgenheit bei Gott ist ein super Angebot, das stimmt. Viele Menschen sehnen sich danach, diese Geborgenheit zu spüren. Für mich sind die hohen Besucherzahlen bei Gottesdiensten zumSchulanfang ein Zeichen dafür. Die Angehörigen und Freunde der Kinder könnten die Einschulung ja auch ohne den Gottesdienst feiern. Aber sie kommen freiwillig mit in die Kirche. Dort hören sie, dass Gott mit seinem Segen und seiner Liebe bei den Kindern ist, die nun einen weiteren Lebensschritt hinaus aus der Kleinfamilie hinein in die Welt gehen. Zusammen mit den Smartphones werden auch die Taschentücher gezückt und ans Auge gehalten, wenn die Kinder gesegnet werden.
Gottes Liebe, Gottes Segen gibt es umsonst. Theologisch gesprochen: gratis. Sola gratia. Günstiger geht nicht.
Aber es gibt viele Anbieter in allen Konfessionen, in den Großkirchen und den Freikirchen, und auch völlig frei von irgendwelchen Glaubensgemeinschaften, die das Gefühl der Geborgenheit durch die größte Macht des Universums zu den Menschen bringen wollen. Leider sind diese Anbieter gewissermaßen „Zwischenhändler“. Sie arbeiten nicht umsonst, das geht in dieser Welt nicht. Hilft dort der Maßstab „Günstiger geht immer“?
Günstiger als gratis geht nicht. Es gibt auch nur eine einzige Quelle für das Angebot. Ohne das große Geschenk Gottes könnte niemand andere Menschen segnen. Niemand könnte die Liebe Gottes verkündigen. Aber auch das ist wahr: ohne die Menschen, die die Botschaft und den Segen weitertragen, könnte kein Menschenkind von Gott wissen.
Die Menschen, die den Stoppelmarkt besuchen statt im Getränkemarkt zu sparen oder ein Live- Konzert hören statt zu streamen, zahlen Geld für das, was ihnen wertvoll ist: Günstiger geht es nicht, das Besondere, das sie nur dort erleben können. Es ist preis-wert für sie.
Damit Menschen Geborgenheit bei Gott spüren können, ist etwas anderes als Geld nötig. Es ist der persönliche und glaubwürdige Einsatz von Menschen, die die Botschaft von Gottes Liebe weitergeben. Und die eigene Bereitschaft, sich auf diese Botschaft einzulassen. Sich zu erinnern, an das Gute im Geschenk des Lebens. Bereitschaft, Vertrauen zu wagen in der Hoffnung, dass es bestätigt wird durch Begegnungen und Lebenserfahrung. Bereitschaft, zu erkennen und anzuerkennen, das in dem Guten, das geschieht, eine Zuwendung von Gott steckt. „Günstige“ Angebote von Glaubensgemeinschaften sind offen für alle. Sie verlangen kein Eintrittsgeld, um den Segen Gottes zu empfangen. Günstiger geht nicht.
Aber die besondere Form des Gottesdienstes, die einzigartige Atmosphäre in der Kirche vor Ort oder die Möglichkeit der eigenen Glaubensgemeinschaft, offen für alle etwas anbieten zu können, die haben einen Preis für Material, Ausbildung und Unterhalt. „Günstiger“ würde hier bedeuten: das alles weglassen.
Ich freue mich immer wieder, wie viele Menschen mit leuchtenden Augen und offenen Herzen das Gratis-Angebot von Gottes Segen in ihren Gemeinden ermöglichen und erleben.
Wiebke Range, Pfarrerin i.R.