Überall sind die, die den christlichen Glauben mit mir teilen

Löwenzahn – dieses Wildkraut setzt sich durch. Es lässt sich nicht unterkriegen. Es hat tiefe Wurzeln. Ist fest verankert im Boden, gut verbunden mit den Quellen seiner Kraft. Wasser, Nährstoffe – der Löwenzahn findet es schon. Und wenn es in den Ritzen zwischen zwei Pflastersteinen ist.

Tiefe Wurzeln haben und fest stehen. Zugang zu den Quellen meiner Kraft haben, – das wünsche ich mir. Manchmal muss ich Platz dafür schaffen. Mein Alltag ist zugepflastert mit Anforderungen, Sorgen, Gedanken … Ich will mir Zeit nehmen, mich auf meine Wurzeln zu besinnen, auf all das, was das Leben mir geschenkt hat. Was mich stark macht und mir Kraft gibt. Ich will mich besinnen auf das Vertrauen zu Gott. Er trägt mich mit seiner Liebe. Sie hört nicht auf. Er hilft mir sogar, mit meinen Fehlern und Grenzen umzugehen. Mich selbst auszuhalten und mir zu vergeben, weil er es tut.

In ihm bin ich verwurzelt, in der Geschichte meines Glaubens. Ich teile sie mit vielen anderen. Ihr Glaube hat meinen inspiriert. Da wehte Gottes Geist. Der Glaube der Vielen trägt meinen Glauben mit. Ich bin verwurzelt in den vielen Glaubensgeschichten der Kirche. Seit mehr als 2.000 Jahren sind sie gewachsen. Jede ist anders und doch aus der gleichen Kraft hervorgegangen. Ich reihe mich ein und finde meinen Platz. So wie der Löwenzahn aus seiner zähen und tiefgehenden Wurzel Kraft bekommt, bekomme ich Kraft aus der Wurzel meines Glaubens.

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Der Löwenzahn blüht kräftig gelb. Eine Löwenzahnwiese – das ist Frühling! Es folgt die Pusteblume mit eng beieinanderliegenden Samen. So wie die Freunde Jesu damals zu Pfingsten zusammen waren. Es tut gut, zusammen zu sein, gerade dann, wenn viele Fragen offen sind, wenn die Kraft klein ist. Ich spüre: „Ich bin nicht allein.“ Wir sind viele. Überall, durch alle Zeiten hindurch und über den ganzen Erdball verstreut, sind die, die mit mir glauben. Eng beieinander sein, so wie die Samen der Pusteblume, das wärmt, das stärkt.

Und dann weht der Wind über die Löwenzahnwiese. Er zieht an den einzelnen Samen der Pusteblume. Jeder spannt seinen Fallschirm aus und fliegt davon. Er löst sich von den anderen und findet seinen eigenen Weg. Überall verstreut sind sie jetzt.

Die Pfingstgeschichte in der Bibel erzählt, dass Gottes Geist, seine Kraft, kommt wie ein stürmischer Wind. Der Geist bringt die Freunde und Freundinnen Jesu in Bewegung. Er holt sie heraus aus der Lethargie – auch aus der Bequemlichkeit. Der Geist erfüllt ihre Herzen. Er beschwingt sie. Begeistert erzählen sie von ihrem Freund Jesus und was er für sie bedeutet. Die Begeisterung ist ihnen abzuspüren. Sie brennen für ihren Glauben. Sie sprechen verschiedene Sprachen. Alle können sie verstehen. Die gute Nachricht von Gottes Nähe mitten im Leben, sie überwindet alle Unterschiede. Sie überwindet Grenzen und Entfernungen.

Menschen lassen sich stärken. Sie lassen sich in Schwung bringen. Gottes Geist ist wirklich da. Unsichtbar, aber doch kraftvoll. Nicht jeder Same der Pusteblume wird hoch in den Himmel gehoben vom Wind. Mancher schwebt auch ganz nah am Erdboden. Doch jeder ist getragen, und jede kommt da an, wo sie Wurzeln schlagen und blühen kann.

Martina Wittkowski, Kreispfarrerin