Liebe Leserinnen und Leser,
ich war immer der Letzte beim Laufen im Sportunterricht. Ich war klein, aber vor allen hatte ich keine Lust dazu. Und überhaupt waren meine Mitlaufenden in der Klasse wirklich schneller als ich. Schön war das nicht, aber es war halt so.
Im Konfirmandenunterricht bin ich dann das erste Mal auf diesen Satz bei Jesus gestoßen: „So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten“ (Matthäus 20,16). Ich fand den Spruch super. Ich war halt nur langsam, dachte ich mir, aber deswegen nicht der Letzte oder das Letzte. Ich fand diese positive Sicht von Jesus auf mich äußerst beruhigend. Und als ich den Spruch mal beim Sportlehrer anbrachte, hatte ich zwar seinen Humor leicht überschätzt, jedoch fand ich mich damit moralisch als Erster durchs Ziel gehen. Tolle Sache, denn ich fand mich gut dabei.
Erst später habe ich den Sinn der ganzen Geschichte verstanden. Jesus sagt es nämlich in einem Zusammenhang von Tagelöhnern, die alle in einem Weinberg an ein und demselben Tag eingestellt werden. Bloß sie werden es zu verschiedenen Zeiten, morgens, mittags abends. Und dann passiert folgendes: Der Weinbergbesitzer zahlt allen denselben Lohn dafür aus! Und klar, die Ersten sind ziemlich sauer, weil sie ja den Tag über mehr gearbeitet haben als die Letzten. Denn eigentlich müssten doch dann auch beim Lohn die Ersten die Ersten sein und die Letzten die Letzten, oder?
Hier bei Jesus wird unsere Welt regelrecht umgedreht. Das muss auch, denn selbstverständlich beschreibt Jesus in diesem Gleichnis das Verhältnis von Gott zu uns Menschen. Der Weinbergbesitzer repräsentiert dabei Gott, die Tagelöhner sind wir. Doch was passiert, wenn Gott alles umdreht, die Ersten die Letzten, die Letzten die Ersten sein werden? Gott als der Weinbergbesitzer sagt, dass er machen kann, was er will, denn er ist ja Gott. Und dann fragt er uns: „Guckst Du so sauer, weil ich so gütig bin?“
Gott ist gütig! Das ist es, was Jesus uns mitgeben will: Seid es genauso! Lasst die Langsamsten mitlaufen! Und wenn sie ins Ziel kommen, dann klatscht und bejubelt sie genauso wie diejenigen, welche gesiegt haben! Da geht es um Nächstenliebe und Zusammenhalt. Wählt genau dieses, denn das wird euch allen nützen!
Bei Gott werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten sein. Seine Güte kann das. Wir können das auch in unserem Leben.
Ihr
Pfarrer Dr. Oliver Dürr, ev.-luth. Kirchengemeinden Lindern und Molbergen