Ein Stückchen Himmel über meinem Leben freizuhalten, – das ist der Plan. Und das gerade dann, wenn schwere Themen mich beschäftigen.
Im Urlaub ist es natürlich am einfachsten, ein Auge zu haben für das Schöne, für die Leichtigkeit des Lebens. Da gelingt es mir, mich von kleinen alltäglichen Wahrnehmungen und Begegnungen berühren zu lassen. Mich auf dem Weg zum Brötchenholen zu freuen an dem alten roten Mercedesmodell mit „H“ im Kennzeichen und einem stolzen Fahrer am Lenkrad. Mich zu amüsieren über den kleinen Jungen, der in der Fußgängerzone geradeaus auf dem schmalen, markant gepflasterten Streifen gehen möchte, und dem ich natürlich gerne ausweiche. Ich genieße ausgiebig die erste Tasse Kaffee in der Sonne in diesem Jahr und das schon im März. Ich freue mich darüber, dass die Bäckereiverkäuferin schon weiß, was ich bestellen will, weil ich regelmäßig meine Croissants dort kaufe. Mir springt die Schönheit und die Geschichte mancher Alltagsdinge, mit denen ich hantiere, in die Augen: Diese Vase war einmal der Waschkrug meiner Oma. Eine tolle Verbindung zu einer Frau, die ich selber gar nicht kannte.
Musik hilft mir, Leichtigkeit zu spüren. Zum Beispiel Dota Kehr mit ihren lebensnahen, oft kritischen, aber manchmal eben auch sehr leichtfüßigen Melodien und Texten. In einem Lied singt sie von den alltäglich wiederkehrenden Situationen, die sie genießt, solange sie andauern. „Das Radio läuft, und die Tür fliegt auf“, wenn sie nach Hause kommt. Und es ist wunderbar, dass dort jemand auf sie wartet. „Weil wir jeden Tag feiern, weil ich mich freu, jeden Tag neu, dass Du der Mensch bist, der mich liebt“. Ich habe mich viel zu sehr an das alltägliche Leben und an die Menschen, die dazugehören, gewöhnt. Ich nehme allzu selbstverständlich, was eigentlich ein Geschenk ist, ein Grund zum Feiern und zur Freude.
In meinem Urlaub bin ich in einen leichten Roman mit französischem Flair abgetaucht. Darin geht es um das „Café des Poètes“ in Paris. Zitate aus der Literatur zieren die Wände dieses kleinen Cafés. Am imposantesten wirkt das Zitat, das an der Decke an einem blauen Himmel mit weißen Wolken angebracht ist: „Versuche stets, ein Stückchen Himmel über Deinem Leben freizuhalten“. Es ist das Lieblingszitat der Großmutter des Besitzers und stammt von Marcel Proust.
Diese Worte fassen gut zusammen, was ich mir wünsche. Immer mal wieder Abstand nehmen zu können von den schweren Themen. Die Schönheit der alltäglichen Dinge an mich heranzulassen. Auf diese Weise ein Stückchen Himmel zu erfahren. In ihnen einen Fingerzeig zu erkennen darauf, dass da ein Gott ist, der mich liebt. Ihm liegt es am Herzen liegt, dass es mir gut geht. „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für Euch“ (1. Petrus 5,7) – Das alltägliche kleine Glück, das ein Stückchen Himmel ist, stärkt meinen Glauben an diese Fürsorge.
Kreispfarrerin Martina Wittkowski