Die Zeit

Zuletzt aktualisiert am 27. September 2023

Martina Fisser, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes im Oldenburger Münsterland

Wie kann es sein, dass wir ein so unterschiedliches Empfinden von Zeit haben? Wenn wir Spaß haben oder etwas Schönes erleben vergeht, die Zeit „wie im Flug“. Wenn wir aber in einem Wartezimmer sitzen oder in der Kälte auf dem Bahnhof stehen, ist die Zeit so langsam und zäh wie ein Kaugummi.
Ganz objektiv betrachtet ist die Zeitdauer natürlich gleich, und das wissen wir auch. Eine Stunde dauert so lange wie gestern und wird morgen genauso lange sein. Und trotzdem empfinden wir es ganz anders, wenn die Situation schön ist oder anregend und wir gar nicht merken, wie die Zeit vergeht.
In unserem Beratungsalltag im Diakonischen Werk stellen wir dies auch immer wieder fest. Plötzlich sitzen wir mit den Hilfesuchenden schon über eine Stunde zusammen und haben gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist. Dieses Empfinden ist häufig auf beiden Seiten gleich. Wir tauchen ein in die Geschichte und Beschreibung der Situation, die uns die Hilfesuchenden schildern. Die Zeit im Gespräch ist intensiv und voller Konzentration. Im besten Fall können wir im Gespräch schon einen Ansatz für eine Lösung finden. Oder wir haben eine Idee, aus welcher Stiftung es eine finanzielle Hilfe geben kann.
Und dann sind da manchmal auch die Gespräche die sehr schwierig sind, und die Zeit vergeht sehr langsam. Mein letztes Gespräch mit einem Hilfesuchenden wurde immer wieder von ihm auf einen bereits besprochenen Punkt zurückgesetzt. Immer wieder schilderte er von diesem Punkt aus seine Sichtweise. Alle Fragen und Hinweise meinerseits hat er ignoriert und ausgeblendet. Dann wird auch für mich die Zeit lang, und ich überlege intensiv, wie ich ihn doch noch erreichen kann. Wir haben weitere Gespräche geführt, und ganz allmählich hatte ich den Eindruck, dass ich ihn mit meinen Fragen und Hinweisen doch erreichen konnte.
Rückblickend ist das alles sehr viel leichter auszuhalten. In der Situation ist es schwierig, und die Zeit verstreicht so unendlich langsam. Oder ist das nur mein Empfinden und der Hilfesuchende sieht das anders? Das hoffe ich sehr. Am Ende meines Arbeitstages sitze ich in meinem Auto und meine Gedanken gehen zu den Gesprächen mit Hilfesuchenden an diesem Tag.
Ich merke wie meine Gefühle und Gedanken ruhiger werden. Ich spüre meinen Glauben an Gott. Ich hoffe und vertraue darauf, dass meine Arbeit an diesem Tag gut war und ich Menschen helfen konnte.
Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Lebenszeit eine geschenkte, gestaltete und gut gefüllte Zeit ist. Seien Sie behütet.
Martina Fisser