Zuletzt aktualisiert am 30. September 2024
„Nett war’s. Aber leider gab’s nicht für jeden einen Nachtisch.“ Die Vorstellung, solch ein Satz macht im Nachgang einer Einladung die Runde, treibt jedem Gastgeber Schweißperlen auf die Stirn. Gästen gegenüber geizig gewesen zu sein, das will sich schließlich keiner nachsagen lassen. „Zu wenig“ angeboten zu haben – hochnotpeinlich! Also wird im Zweifel lieber großzügig kalkuliert und noch eine Runde auf den Grill gelegt, obwohl eigentlich schon alle satt sind – und in Konsequenz eine Menge Lebensmittel weggeschmissen.
Die Sorge, bei Fehlkalkulation „zu wenig“ da zu haben, höre ich häufig bei der Planung einer Veranstaltung. Die Sorge, bei Fehlkalkulation gute Lebensmittel wegschmeißen zu müssen, dagegen selten. Bestimmt tut das niemand gerne, aber allem Anschein nach ist das weniger unangenehm als keinen Nachschlag anbieten zu können.
Kürzlich aber hörte ich dazu eine bemerkenswerte Aussage: Ausgerechnet jemand, der mit der Produktion von Fleisch sein Geld verdient (also aus rein ökonomischer Perspektive eigentlich ein Interesse an möglichst großer Nachfrage haben müsste), mahnte: „Lasst uns bitte nicht so viel Grillgut kaufen. Es wird doch sowieso immer viel mehr gegrillt als gegessen. Und dafür muss dann ein Tier sterben. Das tut mir in der Seele weh, wenn Fleisch in der Tonne landet!“ Das fand ich stark. Und ich habe überlegt, ob ich jemals bei einem Grillen war, bei dem jeder Grilli und jede Bratwurst restlos aufgegessen wurden. Die Mahnung kam von einem Landwirt. Also von jemandem, der weiß, was alles passieren muss, bevor die Bratwurst auf dem Grill landen kann – oder im Zweifel eben in der Tonne. Dass es dann besonders „in der Seele wehtut“, schmerzhaft ist, also pein-lich im ursprünglichen Wortsinn, leuchtet mir ein.
Nur, wie wird der Umgang mit Lebensmitteln für jemanden, der nicht gerade zufällig von Berufs wegen so tief in der Materie steckt, achtsamer? Von Berufs wegen fällt mir wiederum dazu eine gute alte Tradition ein, die es verdient, wieder mehr gepflegt zu werden: Das Tischgebet.
„Segne, Vater, diese Speise. Uns zur Kraft und dir zum Preise.“ – diese wenigen Worte haben es in sich. Denn mit der Bitte um den Segen wird dem Essen eine Bedeutung zugesprochen. Dann verändert sich mein Verhältnis zu dem, was da vor mir auf dem Teller liegt. Dann ist das nicht einfach mehr oder weniger nährstoffreiche Biomasse, die hoffentlich mehr als weniger genießbar ist. Durch das Tischgebet erhält es seine gottgegebene Würde als Schöpfungsgabe – dann, wenn ich es ernsthaft bete und mir dafür von oben die Augen geöffnet werden.
„Komm, Herr Jesus, sei uns unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.“ Wenig Worte mit großer Wirkung. Vielleicht ja auch, dass weniger von dem Bescherten in der Tonne landet. Hinsichtlich der Formulierung gilt denke ich das Gleiche wie beim Essen selbst: Das ist Geschmackssache. In Bezug auf die Länge aber gilt nach einem plattdeutschen Spruch eine klare Empfehlung: „De Mettend mööt lang, dat Gebed kort“. Gesegnetes Erntedankfest!
Pfr. Johannes Rohlfing, Friesoythe