Vom Denken. Und vom Danken.

Zuletzt aktualisiert am 26. September 2024

„Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber Gott allein lenkt seinen Schritt.“ (Sprüche 16,9) Denken und danken – danken und denken. Beide Wörter klingen ähnlich. Und auch inhaltlich gehören sie näher zusammen, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Das “Denken” ist eine Leistung unseres Gehirns. Unseres Kopfs. Das “Danken” eher eine Reaktion unseres Herzens. Wir Menschen lassen uns besser nicht in verschiedene Teile aufteilen. Herz und Kopf gehören zu uns. Gleichberechtigt. Zu unserer ganz eigenen Persönlichkeit. Besser, wir verbinden sie miteinander.

„Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg …“ Ja, wenn “Danken” und “Denken” einander ergänzen … Dann erkenne ich, wieviel Grund zur Dankbarkeit ich habe. Und anders herum: ich erkenne die Dankbarkeit des Herzens mit meinem Verstand. Entdecke so vieles, das nicht selbstverständlich ist. Und gehe umso aufmerksamer durchs Leben.

Denken und danken – danken und denken. Danken kommt von Denken. Nicht nur ein beliebtes Wortspiel. Danken kommt wirklich von Denken. Ursprünglich bedeutet das germanische Wort „danc“: ich denke, ich gedenke, ich denke an. Wobei sich im Gedenken, im Denken an auf geheimnisvolle Weise dankbare Gedanken mischen. Und Dankbarkeit entsteht. Dank sich ausbreitet.

„Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber Gott allein lenkt seinen Schritt.“ Wer denkt, wird dankbar. Und: Wer undankbar ist, hat nicht gedacht. Nicht nach-gedacht. Nur wer denkt, kann danken. Naja, ganz so einfach ist die Formel sicherlich nicht. Aber sie weist in die richtige Richtung. Denken und Danken tun gut.

Gedankenlosigkeit ist heute weit verbreitet. Kommen wir noch zum Denken? Zum Andenken? Zum Nachdenken? Zum Ausdenken? Zum Durchdenken? So vieles strömt auf uns ein. Und Denken, wirkliches Denken, ist harte Arbeit. Wer mag sie noch tun? Aus Gedankenlosigkeit wird nicht selten Danklosigkeit. Wir denken nicht mehr tief. Schätzen nicht mehr viel. Wägen nicht mehr sorgfältig ab. Eine Zeit der Gleichgültigkeit. Des „Egal“.

„Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber Gott allein lenkt seinen Schritt.“ Mein Leben neu bedenken. Die Lebens-Mittel, die ich nutzen darf. Mich bedanken. Bei Menschen und bei Gott. „Alle gute Gaben, alles was wir haben, kommt oh Gott von Dir, wir danken Dir dafür.“ Ein über Generationen hinweg bekanntes Tischgebet. Und gern gesungenes Lied. Es besingt die Fülle der guten Gaben im Lebenskreislauf. Erinnert an den Ursprung der Schöpfung: alles was wir haben, kommt von Gott, umsonst. Danke, Gott.

„Danke, Gott“ So betet auch der 139.  Psalm. „Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139,14). Wie wunderbar, über Märkte zu schlendern. Diese Fülle an Früchten! Diese große Vielfalt und Farbenpracht! Die Düfte von Obst, Gemüse und Gewürzen! Und: welch‘ eine Kraft geht aus vom Anblick einer bunten Blumenwiese! Vom Summen der Bienen! Vom Zirpen der Grillen! Vom Tanz der Schmetterlinge! Danke für die wundervolle Schöpfung. Gottes Gaben, die unseren Tisch decken, sind da. In Hülle und Fülle. Genug für alle! Genug für Mensch und Tier auf der gesamten Erde. Gott sei Dank!

„Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ An Erntedank denken wir im Herbst. Gott sei es gedankt! Gott sei Dank für das Geschenk der Schöpfung. An die Ernte, die schönen Früchte und vielfältigen Gaben denken. An liebe Menschen. Denken und Danken. Für die Eltern. Und für die Kinder. Für Freunde und Freundinnen. Danke, Gott.

Wenn wir essen, sind wir nicht allein. Wir sind mit den Menschen, die diesen Tisch teilen. Wenn wir essen, sind wir nicht allein. Denken wir an die Menschen, die dieses Mahl zubereitet haben. Wenn wir essen, sind wir nicht allein. Danken  für die Menschen, die diese Nahrung angebaut haben. Die sie geernet, verkauft und transportiert haben. Wenn wir essen, sind wir nicht allein. Denken wir an Menschen, die nicht genug haben. Und an Menschen, die viel zu viel haben. Danke, Gott.

Wir sind nicht allein, wenn wir essen. Gott, unser großzügiger Versorger ist mit uns. Mutter und Vater aller Menschen, Schöpfer unseres Planeten, des Himmels und der Erde. Danke Gott, für die unvollkommenen, im Garten gewachsenen Tomaten. Für den Salat, den die Nacktschnecken geküsst haben. Für die leuchtend grüne Paprikaschote, im Innern so schön wie eine gotische Kathedrale. Für den Rettich und die roten Rüben und die Kartoffeln, so schmuddelig mit Erde. Danke, Gott.

Wenn wir essen, sind wir nicht allein. Paulus schreibt: „Ich danke meinem Gott jedes Mal, wenn ich an euch denke. (Philipper 1,3) Ja. Wir sind nicht allein, wenn wir essen. „Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“  Erntedank feiern. Danken. Und denken. Denken an all die Menschen, an ihrer Hände Arbeit. „Alle gute Gaben, alles was wir haben, kommt oh Gott von Dir, wir danken Dir dafür.“

Hiltrud Warntjen, Pfarrerin i.R.