Liebe Leserinnen und Leser,
„Ich möchte auch dazu gehören!“ so bekannte mir eine Frau, die vor ein paar Jahren in den Ort zugezogen war und nun in unserem Seniorenkreis Anschluss suchte. „Ich möchte dazu gehören!“ Zugehörigkeitsgefühl, Verbundenheit: Ich glaube, das ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis. So betitelte das Magazin „Psychologie Heute“ in ihre Januar-Ausgabe 2021: „Sehnsucht nach Verbundenheit.“ Damals lag gerade ein Jahr Corona mit massiven Einschränkungen an sozialen Kontakten hinter uns. Mittlerweile gibt es diese Einschränkungen nicht mehr, aber die Sehnsucht nach Verbundenheit ist geblieben. Es scheint geradezu paradox, dass wir auf der einen Seite immer bessere technische Möglichkeiten haben uns auszutauschen und zugleich die Einsamkeit nachweislich in unserer Gesellschaft wächst. Verbundenheit ist eben mehr als bloß schöne Bilder zu posten und kurze Textnachrichten zu schreiben. Verbundenheit das heißt, das Leben miteinander teilen, Freunden und Sorgen.
Kürzlich sagte mir eine andere Frau: „Mir graut vor der Adventszeit! Da vermisse ich meinen verstorbenen Mann besonders.“ Warum gerade jetzt besonders? Sicher weil in der Adventszeit traditionell sich Familien treffen, Gemeinschaft besonders gepflegt wird. Ich denke es hat aber auch damit zu tun, dass „Verbundenheit“ schon immer das Thema des Advents war. So lautet der biblischen Wochenspruch für den 2. Advent: Jesus Christus spricht: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ Lk.21,28.
„Erlösung“: Damit meint Jesus sich selbst, sein Kommen und die vollkommene Verbundenheit mit ihm. „Erlösung“ d.h. „Befreiung“ durch Verbundenheit? Dahinter steckt der Gedanke, dass in der Verbundenheit mit dem Schöpfer seine Geschöpfe zu sich selber finden und Geborgenheit erfahren.
Dabei bezieht sich diese Verbundenheit mit Gott aber nicht nur auf einzelne Menschen. Sie führt auch zur Heilung in der Welt, zu einer Verbundenheit der Menschen untereinander und der Natur. So schreibt der kath. Theologe Johannes Hartl in seinem Spiegel-Besteller Eden Culture von der Vision einer verbundenen Welt: „Wo sind nur all die ausgebrannten Autos hin, die Männer in Militärkleidung und die radioaktiv verseuchte Zone? …Auf einmal ruft ihn jemand beim Namen. Die Tür geht weit auf. Diese Stimme hört sich eigenartig vertraut an. Er kennt diese Stimme. Als hätte sie ihn beim Namen gerufen, bevor es das Universum gab. „Willkommen in der Zukunft“ sagt die Stimme. Sie klingt, als würde sie singen.“
Doch es ist nicht nur Zukunftsmusik. Christinnen und Christen bekennen: Es hat schon begonnen. Eine Verbundenheit mit Gott kann ich heute erfahren. Und in dieser Verbundenheit erlebe ich Heilung, auch Heilung von Beziehungen. So erfährt es der Personenschützer Michael Stahl. Stahl war Bodyguard vieler Prominenter. Heute ist er zudem als Gewaltpräventionsberater an Schulen sehr gefragt. Michael Stahl weiß wovon er spricht. Er hatte selbst eine sehr schwere Kindheit. Seine Familie war arm, der Vater alkoholkrank. Stahl selbst wurde an der Schule gemobbt. Tiefe innere Verletzungen sind bei ihm entstanden. Die Erfahrung von Gott geliebt und mit ihm verbunden zu sein, verändert Stahl. Ja eine innere Stimme trieb Stahl dazu, seinen Vater, mit dem er Jahre lang keinen Kontakt mehr hatte, zu besuchen und sich mit ihm zu versöhnen. Verbundenheit entstand.
Was Stahl erlebt ist für mich eine adventliche Erfahrung. Sie zeigt: Auch in einer zersplitterten Gesellschaft dürfen wir darauf hoffen, dass Gott Verbundenheit schafft zu ihm und zwischen uns Menschen – auch dort, wo man es nicht für möglich gehalten hätte! In diesem Sinne eine „verbindende“ Adventszeit!
Pfr. Hannes Koch, Pfarrer der Kirchengemeinden Dinklage und Wulfenau