Zuletzt aktualisiert am 26. August 2024
Für viele menschliche Schwächen habe ich Verständnis. Allein von Berufs wegen. Aber es gibt ein bestimmtes Verhalten, das kann ich nicht im Geringsten stehen sehen. Und das ist: Müll einfach in die Gegend zu schmeißen. Gegenüber von meinem Büro ist eine Bushaltestelle und es geht nicht in meinen Kopf rein, wie da so viele Schokoriegelverpackungen und ähnliches ständig rumliegen können. Wie kann man nur Orte, an denen man sich selbst aufhält so unnötig verschandeln?! Und wie ich mich eines Tages gegenüber einem Freund, der recht ökologisch orientiert ist, so darüber aufrege, sagt er zu mir: „Siehst du, so ähnlich ist es auch mit dem Klima.“ Und etwas genervt, dass er nun wieder mit Klima anfängt, unterbreche ich meinen gerechten Zorn und frage ihn irritiert, wie er das jetzt meint. „Die Welt ist unsere Bushaltestelle. Wir leben da und verschandeln sie trotzdem. Nur, dass die Spuren, die jeder einzelne mit CO2 hinterlässt nicht so sichtbar sind wie Schokoriegelpapier.“
Unangenehmerweise hat mir das wirklich eingeleuchtet. Bis zu dem Zeitpunkt hab‘ ich mein Gewissen mit den klassischen Ausreden beruhigt wie „Wenn der Chinese nicht seine Kohlekraftwerke schließt, spielt mein Verhalten im Vergleich doch keine Rolle.“ Aber das zieht für mein Gewissen jetzt nicht mehr. Denn es wäre ja auch absurd, wenn mir jemand seine leere Capri-Sonne vor die Füße auf den Gehweg schmeißt und dann anfängt mit „Aber zuerst muss der Chinese…“. Die Verantwortung für mein eigenes Verhalten kann ich niemand anderem in die Schuhe schieben. Zudem gehe ich davon aus, dass ich eines Tages Rede und Antwort für mein Verhalten stehen muss, auch für meinen Umgang mit der Schöpfung. Und ich fürchte, es wird dann nicht viel Eindruck machen, mit dem Finger auf andere zu zeigen oder zu argumentieren, angesichts dieser Radikalinskis, die sich auf Flughäfen festkleben, hatte ich die Schnauze voll von dem Thema.
An die “Letzte Generation” gerichtet habe ich zu guter Letzt übrigens noch einen Vorschlag: Wie wäre es, wenn ihr eure Strategie grundlegend ändert? Und völlig überraschend, mit großem Getöse an die schmuddeligsten Plätze einer Stadt geht und jegliche Umweltverschmutzungen aufräumt, so richtig radikal? Die Leute würden sagen: „Hoffentlich kommen die fleißigen jungen Leute der letzten Generation in unsere Stadt!“ Dann würde ein Normalo wie ich beim Ausdruck „Kampf gegen den Klimawandel“ nicht so sehr an ideologische Verbohrtheit, Verbote und den erhobenen moralischen Zeigefinger denken. Sondern stattdessen an picobello saubere Innenstädte, hochgekrempelte Ärmel und eine lebenswertere Umwelt. Ich glaube, das würde mehr als die bisherigen Maßnahmen Otto-Normalverbraucher motivieren, den inneren Schweinehund zu überwinden und das eigene Verhalten zu ändern. Einen Versuch wär’s wert. Und einen Vorschlag für einen ersten Einsatzort hätte ich da auch noch.
Pfarrer Johannes Rohlfing, Friesoythe