Zuletzt aktualisiert am 10. September 2024
„Selig sind die Friedfertigen“, sagt Jesus. „Denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Selig sind, die Frieden stiften. Selig. So ein altmodisches Wort. Meint so etwas wie glücklich. Oder noch genauer „glückselig“. Selig, glücklich, glückselig sind die Friedfertigen. Über 2000 Jahre später sind wir es immer noch nicht. Immer noch gibt es Streit, Hass, Unfrieden, Gewalt, Krieg. Immer noch befinden sind wir unterwegs. „Richte unsre Füße auf den Weg des Friedens.“ Ein biblisches Gebet. Zu Gott. Friedenstüchtig werden.
Jesus sagt noch mehr: „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.“ Die Feindesliebe. Damals unvorstellbar, und heute sind wir auch noch nicht viel weiter. Letztes Jahr im August nannte der Bundeskanzler die friedensbewegten Menschen „gefallene Engel, die aus der Hölle kommen.“ Das hat viele Friedensfreunde und -freundinnen, auch mich, zutiefst verletzt. Und der Verteidigungsminister fordert gar „kriegstüchtig“ solle Deutschland werden. Ich bleibe bei „friedenstüchtig werden.“
Auch Jesus bleibt dabei: „Selig sind die Friedfertigen.“ Und: „Liebt eure Feinde.“ Wer kriegstüchtig werden will, hat den Krieg vor Augen. Müssen auch wir kriegstüchtig werden? Ich möchte lieber weiter friedenstüchtig werden. Wer kriegstüchtig werden will, hat den Krieg vor Augen! Wer friedenstüchtig werden will, sucht den Frieden, ja, jagt dem Frieden nach (Ps 34). Die Blickrichtung ist so wichtig. Friedenstüchtig werden.
So viele Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen überall in der Welt verbreiten Schmerz, Angst, Hass, Unglück. Da frage nicht nur ich: wie lässt sich Krieg in Zukunft verhindern? Wie werden wir friedenstüchtig? Vielleicht so? Auf den Frieden schauen und den Krieg gar nicht mehr einüben! So der Gospel „Down by the riverside“. Der Refrain singt: „Ain‘ t gonna study war no more.“ Auf Deutsch: „Ich werde den Krieg nicht mehr einüben.“ Friedenstüchtig werden.
Den Krieg nicht mehr einüben! Auch aus der Bibel. Friedensvision des Propheten Micha: „Die Menschen werden Pflugscharen schmieden aus den Klingen ihrer Schwerter. Und sie werden Winzermesser herstellen aus den Eisenspitzen ihrer Lanzen. Dann wird es kein einziges Volk mehr geben, das sein Schwert gegen ein anderes richtet. Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet. Denn Gott hat es so bestimmt.“ Niemand wird mehr kriegstüchtig! Friedenstüchtig werden!
Friedenstüchtig werden, heißt für mich: die Kinder lehren, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Gewaltfrei. Friedenstüchtig werden, heißt: Freiheit ermöglichen. Die Würde aller Menschen achten. Die Not lindern. Und die Schöpfung bewahren. Zu den Menschen gehören, die Krieg als Mittel der Politik ablehnen. Die mit allen Völkern in Frieden leben wollen. Die friedenstüchtig werden wollen.
Vom 10. bis 20. November 2024 findet die nächste Ökumenische FriedensDekade statt. Christen und Christinnen beten gemeinsam für den Frieden. Unter dem Motto „Erzähl mir vom Frieden“ sollen mutmachende Geschichten erzählt werden. „Wir müssen nicht kriegstüchtig, sondern in erster Linie friedenstüchtig werden“, lautet die Grundidee. Ja. Friedenstüchtig werden.
Eine meiner Lieblingsschriftstellerinnen, Astrid Lindgren, erhielt 1978 des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In ihrer Dankesrede erzählte sie diese Geschichte von einer alten Dame. Die eine junge Mutter war zu der Zeit, als man noch an dies Bibelwort glaubte, “wer die Rute schont, verdirbt den Knaben”. „Im Grunde ihres Herzens glaubte sie wohl gar nicht daran. Aber eines Tages hatte ihr kleiner Sohn etwas getan, wofür er ihrer Meinung nach eine Tracht Prügel verdient hatte, die erste in seinem Leben.
Sie trug ihm auf, in den Garten zu gehen und selber nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er weinend zurück und sagte: “Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen.” Da aber fing auch die Mutter an zu weinen, denn plötzlich sah sie alles mit den Augen des Kindes. Das Kind musste gedacht haben, “Meine Mutter will mir wirklich weh tun, und das kann sie ja auch mit einem Stein.”
Sie nahm ihren kleinen Sohn in die Arme, und beide weinten eine Weile gemeinsam. Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche, und dort blieb er liegen als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selber gegeben hatte: “Niemals Gewalt!” Astrid Lindgren fährt fort: „Ja, aber wenn wir unsere Kinder nun ohne Gewalt und ohne irgendwelche straffen Zügel erziehen, entsteht dadurch schon ein neues Menschengeschlecht, das in ewigem Frieden lebt? Etwas so Einfältiges kann sich wohl nur ein Kinderbuchautor erhoffen!“
Friedenstüchtig werden! Ich weiß, das ist eine Utopie. Vielleicht wäre es gut, wenn wir alle einen kleinen Stein auf das Küchenbord legten als Mahnung für uns und für die Kinder: Niemals Gewalt! Ein winziger Beitrag zum Frieden in der Welt. Friedenstüchtig werden! Selig! Bleiben Sie behütet!
Hiltrud Warntjen, Pfarrerin i.R.