„Bin im Garten!“

„Bin im Garten.“ Das schöne Metallschild hängte meine Mutter an die Haustür, vorn im  Windfang, wenn sie in ihren üppigen Garten ging. Dann wusste man: Hinterm Haus kniet sie gerade in den Gemüsebeeten. Hält das Unkraut unter ihren vielfältigen Rosen in Schach. Schleppt Wasser und gießt nicht nur den Salat. Pflegt ihre Stauden. Trägt im Weidenkorb die rausgezogenen wilden Kräuter in die hinterste Ecke, auf den Kompost.
Eine schwitzige, anstrengende Arbeit. Mit erdverschmierten Fingern und schmerzenden Knien und Rücken. Gartenarbeit hat kein Ende. Ist aber herrlich und macht glücklich. Denn zugleich duften ja die Rosen und die Himbeeren schmecken unvergleichlich. „Bin im Garten.“ Heute ist das Blechschild ein Sehnsuchtsbild für mich. Gern wäre ich mit ihr im Garten. Wissen: ich bin nicht allein. „Bin im Garten.“ Das rührt an Sehnsüchte, in vielen von uns.
Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden, gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen … Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. „Bin im Garten.“ Das passt auch für die ersten Seiten der Bibel. Wo in poetischer Dichte von einem Garten erzählt wird. Eden. Urbild all unserer Gärten.
„Bin im Garten.“ Überraschend deutlich wird von Gott als Gärtner erzählt. Gott pflanzt den Garten in Eden, gegen Osten hin. Gott sucht einen Ort, pflanzt eine Hecke. Sucht nach dem richtigen Platz für die Hortensien und die Himbeersträucher. Gott pflanzt. Gießt. Düngt. Jätet. Gießt immer wieder. Beugt sich vorsichtig, liebevoll über seine Pflanzen, sucht den Duft der Blüten. Beinahe so, als ob er mit ihnen spricht.
Wenn ich lese: „Gott ist ein Gärtner“, denke ich nicht an einen Mann. Ich denke an meine Mutter, die zwischen den Rosen kniet. Gott ist eine Gärtnerin, mit erdigen Händen und mit Gießkanne. Am Ort der Mühe und des Glücks. Nicht zufällig begegnet zu Ostern Maria Magdalena dem Auferstandenen zuerst in der Gestalt des Gärtners. Der lebendig machende Herr erscheint als Gärtner. Nach diesem Bild sind wir geschaffen.
„Bin im Garten.“ Ist vielleicht jeder Garten ein Abglanz des Anfangs? Eine Schule des Lebens? Und was macht einen Garten eigentlich zu einem Garten? Gott legt seinen Garten an einem begrenzten Ort im Osten an. Ein ausgewähltes Stück Erde. Sich begrenzen, nach dem Vorbild des großen Gärtners. Kein Garten ohne Hecke, Zaun oder schützende Mauer. Aus Gärtnerinnenweisheit leben, heißt: begrenzt will ich sorgen für die Schönheit und Köstlichkeit des Lebens.
„Bin im Garten.“ Gärtnerin sein, heißt, sich ausdauernd zu mühen und das Gelingen doch nicht in der Hand zu haben. Nichts wird im Garten ohne ausdauernden Fleiß. Meine Mutter wusste: Jetzt muss noch gegossen werden. Und morgen ist die Hacke dran. Und wusste zugleich: Ich habe nicht in der Hand, dass es wirklich gedeiht und wächst. Fleiß garantiert nichts. Das Glück des Gärtnerns gedeiht im Angesicht des jederzeit möglichen Scheiterns. Es braucht beides. Handfest schaffen. Und zugleich wissen: Alles bleibt unverfügbar. Manchmal hagelt es. Und die Schnecken kommen über Nacht.
„Bin im Garten.“ Gärtnern heißt Gestalten. Heißt, das Schöne und Köstliche und Nützliche in den gesetzten Grenzen zu pflegen. Dass die Gewächse „verlockend anzusehen und gut zu essen“ sind, wie es in der Bibel heißt. Entscheidend ist: Der Garten lebt. Pflanzen haben ihren Eigensinn. Sind nicht einfach Material. Haben alle eigene Bedürfnisse. Bohne und Erbsen direkt nebeneinander – das wird nichts. Viel besser sind Zwiebeln und Erdbeeren!
„Bin im Garten.“ Jede erfahrene Gärtnerin übt sich in Respekt. Schönheit und Glück in einer Gemeinschaft wachsen nicht, wenn man eine Ordnung erzwingen will. Glück und Schönheit wachsen, wenn man durch liebevolles Beobachten und zartes Ordnen das Leben zueinander bringt. Das ist die Spur des großen Gärtners: Verschiedene Bedürfnisse sehen. Anerkennen. Und zueinander in fruchtbare Beziehung setzen.
„Bin im Garten.“ Jeder ordentliche Garten hat wenigstens eine Bank zum Ausruhen.
Gärtnern heißt geduldig sein. Heißt ausharren. Sich auch im Nichtstun zu üben. Zeiten und Momente erspüren, in denen Ruhen und Warten dran sind: Den Dezember. Und den Januar. Im Garten – und im Leben. Auch der große Gärtner ruht aus. Der Schöpfungsbericht erzählt: An jedem Tag sitzt er auf seiner Bank. Sieht in Ruhe an, was er getan hat. Und es war gut. Und am siebenten Tag ruhte er ganz.
„Bin im Garten.“ Gärtnern heißt Balance halten: zwischen Leidenschaft und Demut. Zwischen Stärke und Schwäche. Zwischen Fleiß und Nichtstun. Zwischen Nüchternheit und Begeisterung. Zwischen Schönheit und erdigen Händen. Gott, eine Gärtnerin. Die mit uns aussät, jätet, ausreißt, pflanzt, gießt, erntet. Mit uns hofft, wartet, ausharrt, trotzt. Die flüstert: „Hier wächst was. Mach mit.“ Bleiben Sie behütet!

Pfarrerin i.R. Hiltrud Warntjen