Ostern ist nicht nur Eiermalen

Unser Osterschmuck ist nicht so stylisch wie die schicken Deko-Artikel, die man jetzt überall kaufen kann. Am Karsamstag, vielleicht auch schon am Karfreitag, werde ich den Pappkarton vom Dachboden holen mit der Aufschrift „Ostern“. Erst dann, um die Passionszeit nicht zu überspringen. Erst dann, damit Ostern nach sieben Wochen so richtig leuchtet. Bunt bemalte ausgeblasene Eier sind sorgfältig in Eierkartons verpackt. Nur wenige sind künstlerisch hochwertig gestaltet – aber für mich haben sie einen großen Wert. Auch eine Tüte mit Plastikostereiern findet sich; die kommen draußen an den kleinen Baum. Vom Frühstückstisch aus können wir sie sehen. Die bunten Farben werden eine fröhliche Stimmung verbreiten, so wie es Ostern sein soll.

Unser Osterschmuck ist nicht so stylisch wie die schicken Deko-Artikel. Aber er hat eine Geschichte. Stammt aus verschiedenen Phasen unseres Familienlebens. Es macht Spaß, ihn hervorzuholen, Garten und Haus zum Fest damit zu schmücken.

„Ostern ist nicht nur Eiermalen“ – Der Slogan fällt mir wieder ein. Vor Jahren habe ich ihn als Plakat in den Schaukasten unserer Kirchengemeinde gehängt. Stimmt: Bei aller Liebe zu bunten Eiern und tollen Bräuchen. Ostern ist mehr. Und die Ostereier erzählen davon: mit ihren harten Schalen. Kalt liegt ein Ei in meiner Hand. Als ob es aus Stein wäre. Es erinnert an das Grab Jesu, an seinen Tod. Sieben Wochen Leiden, eine lange Zeit, und dann drei Tage dunkle Aussichtlosigkeit. Den Gedanken daran will ich nicht auslassen, bevor ich Ostern feiere. So wie ich in meinem Alltag das Schwere nicht auslassen kann. So wie Leiden und Tod an vielen Orten gegenwärtig ist und nicht einfach zu überwinden. Ostern hätte keine Tiefe ohne diese Erfahrung.

Die Verzierung der Ostereier ist in vielen Ländern eine echte Kunst. In der Ukraine werden sie traditionell mit mehreren Schichten Wachs überzogen und mit Ornamenten verziert. Pysanky heißen sie, die „Beschriebenen“. In verschiedenen Regionen des Landes gibt es je eigene Ornamente. Die ukrainisch-amerikanische Künstlerin Sarah Bachinger will diese Tradition gerade jetzt erhalten. Sie gründete die Initiative Pysanky for Peace. Sie vernetzt Künstler und -Künstlerinnen. In Workshops kann man bei ihr die Kunst des Ostereier-Malens lernen. Sie erzählt Geschichten von Ukrainerinnen und sammelt Spenden. Pysanky for Peace, so viel Kreativität setzt die Sehnsucht nach Frieden frei.

Die bunt verzierten Eier stehen für die Hoffnung. Leiden und Krieg werden nicht ewig quälen. Der Tod ist nicht das Ende. Das Wissen, dass aus der kalten, harten Schale eines Eis ein lebendiges Küken schlüpft, gibt meiner Hoffnung ein Bild. Die harte Schale kracht auseinander. Leben bricht durch. Jederzeit kann aus dem, was tot und kalt wirkt, etwas Lebendiges werden.

Ostern ist nicht nur Eiermalen. Was für ein Glück.

Martina Wittkowski, Kreispfarrerin im Ev.-Luth. Kirchenkreis Oldenburger Münsterland