Zuletzt aktualisiert am 14. März 2023
Laetare (lat. „Freue dich!“) heißt der heutige 4. Sonntag in der Passions- oder Fastenzeit, der „Freudensonntag“. Benannt ist dieser Sonntag nach dem Anfang des Introitus „Freue dich, Jerusalem“ (lat. „Laetare Ierusalem …“) und bezieht sich auf Jesaja 66,10-11, der Zeit der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft und des Wiederaufbaus des zerstörten Tempels in Jerusalem. Die Mitte der Passionszeit ist mit diesem Sonntag überschritten und hat deshalb einen geradezu tröstenden Anlass mit einer fröhlichen Note: Ostern, das Fest der Auferstehung ist nicht mehr weit. In die violette Farbe der Altar- und Kanzelbehänge während der Passionszeit mischt sich nun schon ein wenig österliches Weiß, die Symbolfarbe für Christus. Sein Licht durchbricht bereits die Tristesse der Leidenszeit. Manche sehen darin die Farbe Rosa, die an diesem Tag in einigen Kirchen an den Altären Kanzeln oder auch liturgischen Gewändern zu sehen ist. Das Jenseitige bricht in die Gegenwart ein und erscheint denen genauso, die sich danach sehnten, wie jenen, die nicht danach fragten.
Wir haben von Lichtstrahlen und Farben gehört, die unser leibliches Auge teilweise nicht wahrnehmen, und von Tönen, die unser Ohr nicht mehr hören kann. Dort, wo die Schau, wo das Licht aus einer anderen Welt nicht mehr gesehen wird, wird ein Volk „wild und wüst“ (Spr 29,18) und sei es noch so erfolgreich. Das Licht Gottes strahlt in unsere Welt und führt immer noch einen Kampf mit allen Schatten. Der christliche Glaube sucht konkret nach dem geschichtlichen Ort, an dem es Gott gefiel, zu erscheinen: „Gott in den Windeln suchen, in die er sich gelegt hat“, wie Martin Luther einst sagte. An den einen Ort kommen, wie schon die Weisen aus dem Morgenland. Von diesem einen Punkt läuft das Feuer über die ganze Welt: „Mache dich auf und werde licht; denn dein Licht kommt …“ (Jes 60,1)
Viele Dinge bewegen uns und doch bleiben wir nur Zuschauer: Es gibt Momente, in denen wir ein Wort hören, das uns in der Tiefe trifft und unserem Leben eine Wendung gibt. Manchmal wird uns das erst eine lange Zeit später bewusst. Christus als Licht der Welt (Joh 8,12) durchleuchtet und verwandelt.“… Ihr wolltet eine kleine Weile fröhlich sein in seinem Licht“ (Joh 5,35), sagte Jesus. Es reicht nicht, nur von außen angestrahlt zu werden. Denn wenn die Lichtquelle ausgeschaltet wird, fällt alles wieder in die Dunkelheit zurück, so wie bei einem angestrahlten Haus, das von innen nicht leuchtet. Manche Menschen lassen sich anstrahlen, ohne dass sich irgendetwas bei ihnen verändert. „Mache dich auf und werde licht“: Dahinter steht eine Aufforderung: Wenn euch die Herrlichkeit Gottes begegnet, lasst das, was an euch geschehen will, geschehen. Es gibt keinen Ort, an dem sein Strahl nicht zu uns hereinbrechen könnte. Gottes Werk wird nur durch solche Menschen vorangetrieben, die diesen himmlischen Einbruch an sich geschehen lassen.
Die Realität sieht heute allerdings anders aus: Wir leben in einer Welt, in der sich viele Menschen an die „Abwesenheit“ Gottes gewöhnt haben, wie sie meinen. Früher hatten die Kirchen in den Dörfern und Städten ihre selbstverständliche Mitte und überragten die umliegenden Häuser um viele Längen. Wenn uns dieses äußere Bild auch heute noch vielfach in Ortschaften begegnet, entspricht es doch schon längst nicht mehr der Wirklichkeit. Viele haben geradezu eine Selbstverständlichkeit entwickelt, mit der sie sich daran gewöhnt haben, ohne Gott zu leben: Gott spielt in ihrem Leben keine Rolle mehr und kommt nicht mehr vor. Vielleicht entsprang diese Entscheidung bei manchen aus der Enttäuschung heraus.
Ähnliches empfanden einige Fromme des Alten Bundes, indem sie äußerten: Gott thront zwar irgendwo, sieht uns aber nicht und kümmert sich nicht um uns. Gott ist gewiss nicht stumm, doch sein Wort dringt nicht zu uns durch. (Jes 63,15-64,4) Wir vernehmen nur sein Schweigen. Doch der Fromme des alten Bundes findet sich nicht damit ab, sondern wird selbst aktiv und bittet: Komm doch, Herr! bleibe nicht fern, nicht stumm und lass uns dein Wort hören! Eine solche Bitte ist Ausdruck eines Vertrauens, das auch in der Anfechtung der Gottesferne nicht zerstören kann. Wenn wir auch vom Zustand der Welt erschüttert sind, wissen wir doch, dass die Verbindung mit Gott nie völlig aufgehoben werden kann. Unsere eigene Gleichgültigkeit und Gottesferne hält Gott nicht davon ab, sich um uns zu kümmern. Die Bitte „Komm doch, Herr!“ bleibt mit der tröstenden Gewissheit verbunden: „Unser Herr kommt“.
Gott braucht Menschen, die sich erleuchten lassen und selbst ein Licht, ja vielleicht sogar ein Leuchturm für andere Menschen werden: „Ihr seid das Licht der Welt… So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten…“ (Mt 5,14.16) Es kann erschreckend sein, wenn in unsere Welt der Glanz des Ewigen hinein scheint. Doch gibt es keinen Ort, an dem wir geborgener wären. Wichtig ist es, dass wir die Erscheinung Gottes und den Einbruch der Ewigkeit in unsere dunkle Welt bezeugen. Die Menschen sehnen sich nach solchen, die den Ruf Gottes vernommen haben. Die Welt wartet auf eine Christenheit, die dem Engel Gottes begegnet ist und in der Welt bezeugt: Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“ (Jes 60,1)
Holger Ossowski, ev.-luth. Pfarrer in Garrel
und Kreisdiakoniepfarrer des Kirchenkreises Oldenburger Münsterland