Andachten

Gott ist Liebe

Zuletzt aktualisiert am 12. Juni 2023

Ja. Gott ist Liebe. Unzählige Male habe ich predigend solch ein Herz in die Luft gemalt. Liebe. Ja. Jede und jeder hat dazu Eigenes erlebt. Hat eigene Erfahrungen. Hat Liebe erlebt oder Liebe vermisst. Liebe geschenkt oder Liebe empfangen. Hat geliebt und wurde zurück geliebt. Oder vergeblich geliebt. Voll unerfüllter Sehnsucht. Liebe. Ja. Menschliche Liebe. Viel besungen und empfunden.

Heute hören wir: Gott ist Liebe. Aufgeschrieben im Ersten Johannesbrief. Sein Thema: das „In-der-Liebe-bleiben“. Gott ist Liebe. Und nicht: Die Liebe ist Gott! Gott ist Liebe. Auch nicht: Gott ist „die“ Liebe! Gott ist Liebe. Und auch nicht: Gott ist „nur“ Liebe. Gott ist Liebe. Ganz Liebe.

„In der Liebe ist keine Angst.“ (1. Joh 4,18) Die Liebe hat Angst um die, die sie liebt. Die Angst der Liebe macht wachsam, kritisch, mutig. Schreitet ein in Gefahr und Bedrohung. Die Liebe vertreibt die Angst. Leben ohne Furcht, ohne Angst, gibt es nicht. Angst und Furcht sind wichtige Gefühle, überlebenswichtig. Auf das Maß kommt es an. Wenn Furcht und Angst überhandnehmen, wird es eng, wird die Welt klein, unser Lebensraum immer kleiner. Gott ist Liebe. Die Liebe nähren statt die Angst. Ich will von mir erzählen. Was mir in der Angst hilft. Ich singe. Laut, immer lauter. Andere beginnen laut zu pfeifen, wenn sie durch ein dunkles Waldstück müssen. Musik nimmt die Angst.

Meine Erfahrung: Musik holt mich aus dem Kopf ins Herz. Ist die Sprache meiner Seele, nicht meines Verstands. Trägt mich zurück in die Gegenwart. Ins Hier und Jetzt. Weg von der Angst, die vor der Zukunft liegt. Musik bindet mich zurück an das, was ist. Was wirklich da ist. Im Hier und Jetzt. Laut singend bin ich verbunden. Mit der Welt. Mit meinen Nächsten. Meine Angst ist meistens im Kopf. Manchmal auch im Bauch. Aber nie im Herzen. Da wohnt die Liebe.

Gott ist Liebe. Die Liebe nimmt die Angst. Wer liebt, ist im Herzen. Wer liebt, ist ganz im Hier und Jetzt. Wer liebt, weiß sich verbunden. Eingebunden. Aufgehoben in etwas Größerem, Umfassenderem. Wer liebt, ist in Gott – und Gott in ihr, in ihm. Wer sollte sich da noch fürchten? Wer sollte sich da noch ängstigen? Ihr Lieben, kennt Ihr diese Erfahrung? Wie war das, als Du liebtest? Warst Du da mutiger? Mutiger vielleicht als heute? Warst Du beherzter? Warst Du verbunden?

Ja, rückgebunden an das Ganze? Meine Erfahrung: Wenn immer mein Herz erfüllt ist, wenn ich liebe, weiß ich mich getragen, fühle ich mich verbunden, wächst mein Vertrauen in die Welt. Wenn immer ich liebe, begegne ich beherzt den Herausforderungen, die sich mir stellen. Wenn immer mein Herz erfüllt ist, verliert der Tod seine Schrecken. Ahne ich in der Tiefe meines Herzens, dass die Verbundenheit der Liebe weit geht … weit hinaus über die Grenze des Todes.

Gott ist Liebe. Die Liebe nimmt die Angst. Diese Liebe ist die, die die Furcht austreibt. Die, die uns mutig macht. Und beherzt sein lässt. Diese Liebe wartet auf uns. Wartet darauf, dass wir uns verlieben. „Falling in love“, wie es im Englischen heißt. Gott ist Liebe. Die Liebe nimmt die Angst. Diese Liebe ist die, die Hingabe verlangt, die sich hinreißen lässt von der Gegenwart Gottes in dieser Welt. Diese Liebe ist Leidenschaft … für meine Nächsten, für Gott, für das Leben. Gott ist Liebe. Die Liebe nimmt die Angst. Diese Liebe ist Musik. Ist Gesang und Spiel und Tanz. Ist Feier des Lebens. Ist Fest der Verbundenheit. Gott im „Dazwischen“. Zwischen uns. Zwischen mir und allem, was atmet, allem, was lebt.

Gott ist Liebe. Sagt unser Text. Und: „Diejenigen, die sagen: Ich liebe Gott, und ihre Geschwister hassen, lügen.“ (1. Joh 4,20a) Der Hass treibt viele um. Vertreibt die Liebe. Macht Frieden schwer bis unmöglich. Beginnt oft ganz klein. Mit Gleichgültigkeit. Ist gefühllos. Und wird doch so groß! Ich möchte den Hass aus der Welt vertreiben … aber nur wie? Ich erinnere mich an einen Text des Schriftstellers Hanns Dieter Hüsch. Ein Text, der mir Mut macht, in die Liebe zu gehen. Seine Überschrift: „Ich setze auf die Liebe!“

Ich setze auf die Liebe/ das ist das Thema/ den Hass aus der Welt zu entfernen/ bis wir bereit sind zu lernen/ dass Macht, Gewalt, Rache und Sieg/ nicht anderes bedeuten als ewiger Krieg/ auf Erden und dann auf den Sternen.

Ich setze auf die Liebe/ wenn Sturm mich in die Knie zwingt/ und Angst in meinen Schläfen buchstabiert/ ein dunkler Abend mir die Sinne trübt/ ein Freund im anderen Lager singt/ ein junger Mensch den Kopf verliert/ ein alter Mensch den Abschied übt.

Ich setze auf die Liebe/ das ist das Thema/ den Hass aus der Welt zu vertreiben/ ihn immer neu zu beschreiben./ Die einen sagen es läge am Geld/ die anderen sagen es wäre die Welt/ sie läg’ in den falschen Händen.

Jeder weiß besser woran es liegt/ doch es hat noch niemand den Hass besiegt/ ohne ihn selbst zu beenden./ Es kann mir sagen was es will/ es kann mir singen wie er’s meint/ und mir erklären was er muss/ und mir begründen wie er’s braucht/ Ich setzte auf die Liebe! Schluss!

Hiltrud Warntjen, Pfarrerin i.R.